Double Top Konstruktion
Seit vielen Jahren währt der Streit über das Für und Wider zwischen den Verfechtern der traditionellen Gitarren-Bauweisen und den Anhängern der modernen Baukonstruktionen.
Seit etwa 20 Jahren gibt es nun schon Gitarren mit neuen Konzepten wie Lattice Bracing, Double Tops, Sandwich- oder Kompositdecken.
Meistens wird dieser Disput im Sinne eines "Entweder-Oder" geführt, und die Schärfe und Kompromisslosigkeit dabei habe ich nie verstanden.
Jedem, der sich mit Akustik, verschiedenen Musikepochen und Spielweisen beschäftigt, könnte auffallen, dass es die eine "Eier-legende-Woll-Milch-Sau" Gitarre, nicht geben kann.
Es gab sie auch nie, bevor die neuen Konzepte aufkamen.
Wer vorhat, die Carnegie Hall ohne Mikrofon und Verstärker zu beschallen, braucht ein Instrument mit anderen Stärken als z.B für eine CD-Aufnahme, bei der es auf die dynamische und klangliche Gestaltung jeder Passage, jedes sensiblen Details ankommt.
Inspiriert und unterstützt von Freunden und Kollegen wie Gernot Wagner und Antonius Müller, beschäftige ich mich nun seit etwa 10 Jahren intensiv mit verschiedenen Double Top Bauweisen. Die 20 Jahre davor hatte ich angeleitet durch meinen Lehrer und Freund Rolf Eichinger fast ausschließlich mit den traditionellen Methoden Andalusiens gearbeitet.
Die neuen Materialien und Vorgehensweisen waren eine große Herausforderung für mich. Aber ebenso auch eine große Freude, denn ich habe noch einmal das pionierhafte Herantasten an Unbekanntes erlebt, wie in den ersten Berufsjahren, verbunden natürlich auch mit etlichen frustrierenden Misserfolgen.
Mein ganz besonderer Dank gilt den beiden oben genannten Kollegen dafür, dass sie mir durch ihre Hilfe die Anzahl meiner schlaflosen Nächte deutlich verringert haben, und mich so großzügig an ihren Erfahrungen teilhaben ließen. Durch das Kennenlernen ihrer herausragenden Instrumente war ich sehr schnell davon überzeugt, dass es gar nicht um ein "Entweder-Oder" sondern um ein "Sowohl-als-Auch" geht, um eine Erweiterung und Bereicherung der Möglichkeiten und Fähigkeiten der Gitarre in moderner Zeit.
Die Idee, die hinter diesen neuen Bauprinzipien steckt, ist der Versuch, die Masse der Decke zu reduzieren, ohne dabei die Elastizität und Steifigkeit zu verringern. Das erreicht man dadurch, daß innerhalb der Decke ein Hohlraum angelegt wird, der durch die Verwendung sehr leichter Stützmaterialien, z.B. Nomex oder Balsaholz aufgefüllt wird. Dabei ist das Ziel, dass die Saitenschwingung weniger Widerstand , (physikalisch ausgedrückt Impedanz) überwinden muss, um die akustische "Platte" d.h. die Decke in Schwingung zu versetzen. Das alles in der Hoffnung, dass dadurch der Ton lauter, kräftiger und lang anhaltender wird. Natürlich muss das auch einhergehen mit einer hohen Stabilität und somit Lebenserwartung der Konstruktion.
Die Anzahl der zu beachtenden Parameter sind durch die neuen Bauweisen noch gestiegen, bei weitem nicht alles funktioniert und führt automatisch zu guten Resultaten. Es bleibt die ständige Gratwanderung und Suche nach der richtigen Balance. So entstehen denn auch durch die neuen Methoden nicht mehr oder weniger ausgezeichnete Instrumente als früher auch.
Zum Schluss noch eine Anmerkung: Fast alle, die die traditionellen Bauweisen bevorzugen, berufen sich mehr oder weniger auf Antonio de Torres, der von 1817 bis 1892 in Südspanien gelebt hat. Die ihm nachfolgenden Generationen herausragender Gitarrenbauer, wie z.B. Santos Hernandez, Garcia, Ramirez oder Hauser, beriefen sich definitiv auf ihn. Zu Recht haben seitdem viele Generationen von Gitarrenbauern versucht diesen Vorbildern nachzueifern. Oft wird vergessen, dass Torres selbst in keiner direkten GitarrenbauTradition stand. Er war von Beruf Tischler und mußte sich seine ersten Informationen bei verschiedenen Gitarrenbauern seiner Zeit zusammen sammeln. Sein herausragender Verdienst ist es, dass er unvoreingenommen und innovativ die unterschiedlichsten Ideen seiner Zeit kombinierte, und dadurch Instrumente schaffen konnte, die denen bis dahin gebauten weit überlegen waren. Ein Quereinsteiger also, ein wirklicher Pionier und kein Traditionalist.
Wie würde Torres, wenn er heute lebte, wohl seine Gitarren bauen? So wie "Torres"vor 200 Jahren? Ich glaube eher, ein solch freier Geist würde immer innovativ arbeiten wollen. Probieren, Variieren, Erfinden, und würde dadurch vielleicht Weg bereitend für viele nachfolgende Generationen werden. Natürlich ist das rein spekulativ!
Ich für meinen Teil bin dem oben erwähnten Streit ferngeblieben.Und deshalb baue ich meine Gitarren mit großem Vergnügen sowohl in traditioneller, als auch in moderner Bauweise.