Werkstatt

Die Unterschiede in Klang und Funktion von Konzert- und Flamencogitarren sind sehr groß. Farbregister, Ansprache, Dynamik, Ausgeglichenheit, Lautstärke und Projektion sind einige der Merkmale, an denen sie deutlich werden. Wodurch kommen sie zustande und wie kann man bestimmte Klangvorstellungen verwirklichen?

Akustisch betrachtet bildet die Gitarre ein gekoppeltes Schwingungssystem. Die Saitenschwingung initiiert die Hals- und Deckenschwingung und diese wiederum versetzt die umgebende Luft an der Innen- und Außenseite der Decke in Bewegung. Plattenschwingungen (Decke, Boden, Zargen), Hohlraumschwingungen im Korpus, Saitenschwingungen und die Eigenresonanzen jedes einzelnen Bauteiles beeinflussen sich gegenseitig und können sich in günstiger oder ungünstiger Weise überlagern.

Erschwerend kommt hinzu, daß die Gitarre als polyphones Instrument die Fähigkeit besitzen muß, bis zu 6 Töne mit ihren Grund- und Obertonfrequenzen gleichzeitig und gleichmäßig zu projizieren, und das mit nur einem einzigen Anregungsimpuls (Fingeranschlag) pro Ton. Im Vergleich dazu muß beispielsweise eine Geige maximal zwei Töne gleichzeitig erzeugen und hat außerdem den Streichbogen zur Verfügung, der einen permanenten Anregungsimpuls erzeugt.

Um diese Anforderungen an das Instrument zu meistern, konzentriert sich der Gitarrenbau im wesentlichen auf drei Bereiche, das sind die Auswahl und Abstimmung des Holzes, die Konstruktion und die Methodik. Jeder dieser Bereiche beinhaltet eine große Menge an Parametern und Variationsmöglichkeiten, und jede Veränderung im Detail kann aufgrund der Kopplung zu einer deutlichen Änderung des Gesamtbildes führen.

 

Wo und wie schnell ein Baum gewachsen ist, zu welcher Jahreszeit man ihn fällt, wie man ihn aufsägt, lagert, trocknet, das alles entscheidet über die Güte und Eignung seines Holzes. Jedes Stück Holz ist ein Unikat. Dadurch wird klar, daß es nicht nur einen einzigen gültigen Bauplan geben kann, sondern daß Dimensionierung, Arbeitsweise und Konstruktion immer wieder neu aufeinander abgestimmt werden müssen.

Die Grundbauteile des Korpus, also Decke, Boden, Zargen, sind nur zwischen zwei und drei Millimeter stark, müssen aber einem Saitenzug von etwa 40 Kilogramm standhalten. Deshalb haben die GitarrenbauerInnen der letzten Jahrhunderte eine Vielzahl von statischen Prinzipien auf ihr Arbeitsgebiet übertragen, um ein optimales Schwingungsverhalten mit einer hohen Stabilität und Haltbarkeit zu verbinden.

Dazu gehören zum Beispiel Innenverstrebungen, Wölbungen von Flächen oder bewußt angelegte Vorspannungen. Die Konzepte sind verblüffend vielfältig und führen natürlich zu den unterschiedlichsten Ergebnissen.

Was mich besonders fasziniert ist der lebendige Klang, der viele südspanische Gitarren auszeichnet, und neben der Holzauswahl und Konstruktion ist es auch die Methodik, die darauf großen Einfluß ausübt.

Man hat verschiedenste Möglichkeiten, die etwa 50 Einzelteile einer Gitarre herzustellen und zusammenzufügen. Jede Art und Weise führt zu einem eigenen Gefüge, beeinflußt die Statik und somit das Schwingungsverhalten und den Klang.

Über viele Handwerksgenerationen haben sich raffinierte Montagemethoden entwickelt, die optimal auf das Instrument abgestimmt sind. Die Methodik harmoniert perfekt mit der Verwendung von Haut- und Knochenleimen und bildet zusammen mit der Schellackpolitur den Kern des spanischen Gitarrenbaus